Donnerstag, 24.11.2011 19.30 Uhr
Neue Uni, Hörsaal 1
Paulo Freire (1921-1997) hat die Pädagogik der Befreiung als Theorie und Praxis der Erwachsenen-Alphabetisierung begründet. Diese Pädagogik stützt sich auf die Traditionen der sokratischen Aufklärung und der Theorie von Marx; sie wurde analog zur lateinamerikanischen Theologie der Befreiung entwickelt. Freire hat diese Pädagogik zuerst um 1960 in den ländlichen und städtischen Armutszonen Brasiliens, dann in zahlreichen Ländern Lateinamerikas und schließlich auch in den ehemaligen portugiesischen Kolonien Afrikas praktiziert. Wegen der Übereinstimmungen der Befreiungspädagogik mit der kritischen Theorie der Gesellschaft wurden Freires Werke auch in Europa um 1965/75 rezipiert und gewürdigt.
Die Pädagogik der Befreiung zielt auf eine Aufklärung («Bewusstmachung») über undurchschaute Herrschaftsverhältnisse und deren revolutionäre Abschaffung. Ein Mensch, hat Freire überlegt, kann nur dann lesen und schreiben, wenn er gegenständliche Zeichen nicht bloß in Laute zu übersetzen vermag, sondern wenn der das Gelesene und Geschriebene auch begreift. Er muss also, in der Alphabetisierung, sich seiner gesellschaftlichen Welt, die er bislang bewusstlos vorausgesetzt, deren Logik er verinnerlicht hat, durch Aufklärung und eine kritische, weltverändernde Praxis bewusst werden. So ist das Ziel der Alphabetisierung die Bildung von Menschen zu Subjekten, die sich ihrer selbst und ihrer gesellschaftlichen Welt bewusst sind.
Gerhard Stapelfeldt lehrte bis 2009 als Professor am Institut für Soziologie der Universität Hamburg
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