Donnerstag, 10.11.2011 18.00 Uhr
NUni, Hörsaal 3
Vortrag von Floris Biskamp mit anschließender Diskussion im Rahmen der Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie
Ist djihadistisch das neue schwul? - Erkenntnisse und Aporien der Queer Theory am Beispiel des Begriffes 'Homonationalismus'
Als Judith Butler im letzten Jahr den Couragepreis des Berliner Christopher Street Day ablehnte, konnte man den Medien entnehmen, sie habe dies getan, weil sie den CSD für zu konsumorientiert und flach halte. Hört man sich jedoch Butlers eigene Begründung an, wird deutlich, dass solche Konsumismuskritik eher nebensächlich war und es um viel Gewichtigeres ging: Sie warf dem CSD nicht weniger als Rassismus und 'Homonationalismus' vor. Um diesen Vorwurf verstehen und einschätzen zu können, ist es nötig, seinen theoretischen Hintergrund innerhalb der Queer Theory zu kennen. Angetreten als Kritik althergebrachter feministischer und Gay Liberation-Bewegungen zeichnet sich diese theoretische Strömung in erster Linie durch die radikale Infragestellung geschlechtlicher und anderer Identitäten aus. Dieser Ansatz verleiht der Queer Theory einen geschärften Blick für verschiedene Ausschluss- und Herrschaftsprozesse, führt aber letztlich zu Widersprüchen und Aporien und in Extremfällen zur Parteinahme für reaktionäre Bewegungen. Dies wird im Vortrag am Beispiel der 'Homonationalismus'-These diskutiert, welche die US-amerikanische Professorin für Gender Studies Jasbir Puar formulierte. Homosexuelle hätten in Zeiten des »War on Terror« als Feindbilder ausgedient, die Rolle des als krankhaft, pervers und unproduktiv ausgeschlossenen Anderen werde heute von jihadistischen Selbstmordattentäter_innen erfüllt. Westliche LGBTQI-Organisationen, die Homophobie unter Muslimen kritisieren, bezichtigt sie des Rassismus und der Islamophobie und nimmt dabei noch Islamist_innen in Schutz. Dieser Vorwurf, den Butler sich zueigen machte, ist einer genaueren Betrachtung wert, weil er symptomatisch für aktuelle Tendenzen innerhalb der akademischen Linken ist.
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.