Mittwoch, 30.05.2012 18.15 Uhr
Hörsaal 005, Institut für Bildungswissenschaft, Akademiestraße 3, 69117 Heidelberg
Ob der Antisemitismus anwächst, ist ungewiß; aber sicher wird weltweit über Antisemitismus, Holocaust und Auschwitz mehr geredet als je zuvor. Der Antisemitismus ist widerlich. Ihn zu erkennen, bedarf es keines großen intellektuellen Aufwands. Dennoch wächst die wissenschaftliche Literatur über den Antisemitismus unaufhaltsam an. Selten findet man bei eingehender Lektüre etwas Neues; aber immer „neue Ansätze“, Paradigmen etc. Das hat weniger mit den Veränderungen des Antisemitismus selbst zu tun als mit dem Zyklus akademischer Konjunkturen. Die massenmediale Kultur hat inzwischen Auschwitz assimiliert. Das zu begreifende Unbegreifliche ist in eine triviale Banalität verwandelt worden, aus der die Menschheit Lehren ziehen soll, deren Unverbindlichkeit sich kaum verheimlichen läßt. Die publikumswirksamen Produkte der Massenkultur erzeugen post crimen einen Sinn, der durch Auschwitz gerade dementiert worden ist.
Detlev Claussen, geboren 1948 in Hamburg, studierte Philosophie, Soziologie, Politik und Literaturwissenschaft in Frankfurt am Main; Habilitation 1965. Er lehrt Soziologie an der Universität Hannover.
Veröffentlichungen u.a.: »List der Gewalt. Soziale Revolutionen und ihre Theorien« (1982); »Mit steinernem Herzen. Politische Essays« (1989); »Unterm Konformitätszwang. Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Psychoanalyse« (1988); »Von Judenhass zum Antisemitismus. Materialien zu einer verleugneten Geschichte« (1988); »Aspekte der Alltagsreligion« (2000) sowie »Theodor W. Adorno. Ein letztes Genie« (2003).
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.