Mittwoch, 12.04.2017 19.00 Uhr
ver.di-Saal Czernyring 20
Nahezu unbemerkt haben die europäischen Staats- und Regierungschefs im Juni 2016 eine neue „EU-Globalstrategie“ (EUGS) für ein „stärkeres Europa“ beschlossen, mit dem Ziel, die Europäische Union als Weltmacht militärisch auf Augenhöhe mit den USA zu etablieren. Die Union soll sich die Option verschaffen, unabhängig von der NATO – und damit einem möglichen Veto der USA –eigene Interessen auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.
Im Sommer 2016 legte die Bundesregierung auch ihr neues Weißbuch zur Sicherheitspolitik vor, dessen Haupttenor lautet, Deutschland müsse „mehr Verantwortung“ in der Welt übernehmen, eine seit zwei Jahren verstärkt von Regierungspolitikern genutzte Umschreibung für mehr weltweites militärisches Engagement. Ausrüstung und Personal der deutschen Streitkräfte sollen dafür massiv verstärkt und die Beteiligung an der nuklearen Abschreckung fortgesetzt werden.
Das britische Referendum zum Austritt aus der Europäischen Union und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten lieferten nun ausgezeichnete Vorwände, regelrechte Militarisierungsoffensiven einzuleiten ‒ in Deutschland wie in der EU.
Scheiterten bislang fast alle Schritte zu einem stärkeren Ausbau des militärischen Potentials der EU am Widerstand Großbritanniens, so sehen die EU-Politiker den Weg nun frei. Nur wenige Tage nach dem britischen Referendum zogen Frankreich und Deutschland ein schon länger ausgearbeitetes Papier namens „Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt“ aus der Schublade, wonach sich die EU „Schritt für Schritt zu einem unabhängigen globalen Akteur entwickeln“ solle.
Die Wahl Trumps verleiht diesen Ambitionen zusätzlichen Rückenwind: Seine Drohung, die Verbündeten sicherheitspolitisch im Regen stehen zu lassen, sollten sie nicht mehr Geld in die Rüstung pumpen, dient nun dazu, den Ausbau der Militärapparate als regelrechten Sachzwang darzustellen. Die geforderte Erhöhung der Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts würde für Deutschland eine Erhöhung des Militäretats auf über 70 Mrd. Euro bedeuten.
Der Vortrag wird auf die wichtigsten aktuellen Vorhaben Deutschlands und der EU eingehen, die den Charakter der Europäischen Union grundlegend verändern könnten, sowie auf das Verhältnis dieser Pläne und der auf NATO-Ebene verfolgten Politik.
Jürgen Wagner ist Politikwissenschaftler, geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen und Autor zahlreicher Fachartikel und Buchbeiträge zur Militär- und Kriegspolitik Deutschlands, der EU und der NATO. Von ihm erschien soeben das Buch „NATO: Aufmarsch gegen Russland“ (BEBUG Berlin, 208S.)
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.