Freitag, 19.01.2018 19.30 Uhr
Cafe Gegendruck, Fischergasse 2
A+C Kneipe zum Thema: Verelendung und Obdachlosigkeit im Kapitalismus
Nachdem die bürgerliche Gesellschaft ihr Gewissen zum christlichen Fest der Nächstenliebe wahlweise mit einer Spende an eine beliebige Nichtregierungsorganisation oder einem deftigen Ablass in den Klingelbeutel erleichtern konnte, widmet sich unsere erste A+C Kneipe im Jahr 2018, dieses Mal ausnahmsweise am dritten Freitag des Monats, einem brandaktuellen Thema: Verelendung und Obdachlosigkeit im Kapitalismus.
Heidelberg rühmt sich nicht nur damit ein beliebtes Ziel für allerlei Tourist*innen aus dem Ausland zu sein, sondern verfügt auch über die höchste Dichte an Wohnungslosen in Baden-Württemberg (6,1 pro 1.000 Einwohner*innen). Hiermit sind nicht nur die „klassischen“ Obdachlosen ohne „Dach über dem Kopf“ gemeint, sondern alle Personen, die nicht über eine mietrechtlich gesicherte Wohnung – oder gar Eigentum an einer solchen – verfügen, bei Freund*innen auf der Couch übernachten oder in Behelfs- oder Notunterkünften schlafen müssen.
Hierbei handelt es sich jedoch nicht, wie romantisierende Bilder von umherziehenden Obdachlosen suggerieren, um ein vorrangig individuelles Problem, sondern um ein strukturelles. Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe e.V. waren bereits im Jahr 2016 860.000 Menschen ohne Wohnung, 52.000 von ihnen auf der Straße. Die „Europäische Typologie für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung“ kennt ganze dreizehn verschiedene Kategorien um das umfassende Elend des Nichtvorhandenseins einer schlichten Wohnung zu beschreiben. Diese Menschen sind den brutalen gesellschaftlichen Verhältnissen fast ohne jeden Schutz ausgesetzt: Sie werden angespuckt, beschimpft, misshandelt, angezündet oder gar ermordet. Seit den Erweiterungen der Europäischen Union (insbesondere: Polen, Rumänien, Bulgarien) hat sich dies nochmal verschlimmert.
Die Ordnungsbehörden handeln zunehmend repressiv und wenn die „Zigeuner“ aus dem öffentlichen Raum vertrieben werden, steht das Bürgertum immer mehr klatschend Spalier. Ganz nach dem Motto „Die Innenstädte denen, die es sich leisten können in ihnen zu flanieren.“
Doch auch die gutgemeinten Forderungen der Gegenseite („Obdachlose gehören zum Stadtbild“, „Auch sie haben ein Recht auf die Stadt“) sind absurd. Wie zynisch ist die Akzeptanz einer gesellschaftlichen Ordnung in der Menschen nicht ihre elementarsten Grundbedürfnisse stillen können? Was fehlt ist nicht nur ein Pappdeckel auf einer warmen Lüftung in der Innenstadt, sondern der eigene Wohnraum.
Bei dem Vortrag geht es deshalb nicht nur um die reine Schilderung dieser elendigen Verhältnisse, sondern vielmehr um ihre Entstehung als Ausdruck der kapitalistischen Produktionsweise.
Denn: Obdachlosigkeit hat System. Die breite Verelendung gesellschaftlicher Gruppen kommt nicht von ungefähr. Die Märkte regeln das schon und so landen die Verlierer*innen ganz schnell ganz unten.
Wie bereits bei den letzten Veranstaltungen starten wir mit einem Input, um anschließend in eine gemütliche und interessante Diskussion überzugehen.
Wir freuen uns auf den nächsten Freitagabend-Plausch mit Euch!
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.