Donnerstag, 05.07.2018 19.00 Uhr
Ethnologie-Institut Heidelberg, Albert-Ueberle-Straße 3-5
Von unseren eigenen Geschichten ausgehen! Eine Methodenvorstellung für alle, die noch immer Fragen an sich selber und die Welt haben.
Oder: Wie mit der Methode der Erinnerungsarbeit über das Sezieren erinnerter Alltagsgeschichten ein Zugang zu erweitertem Weltverständnis möglich wird.
Veranstaltung mit Robert Hamm, Maynooth University (Irland) und Institut für kritische Theorie (Berlin)
In der Veranstaltung geht es um Erinnerungsarbeit als Untersuchungsmethode, wie sie von Frigga Haug und der Gruppe Frauenformen entwickelt wurde.
Erinnerungsarbeit ist ein Gruppenverfahren, bei dem die Beteiligten erinnerte Geschichten aus eigenem Erleben als Untersuchungsmaterial benutzen. Der Spaßfaktor dabei ist hoch. Da wir uns nämlich mit unseren eigenen Geschichten befassen, kommen wir auch eigenen Vergesellschaftungsmustern auf die Schliche. So wird Gesellschaft fassbar als gelebte Praxis in historisch vorgefundenen Verhältnissen.
Dazu werden kurze Texte geschrieben, die gemeinsam seziert und analysiert werden. So entwickelt sich ein erweitertes Verständnis für die in den Geschichten vorkommenden Selbst- und Fremd-Konstruktionen. Daraus lassen sich Brücken schlagen. Abstrakte Theorien können auf die Ebene gelebter Realität geholt und kritisch überprüft werden.
Bildung ist hier selbstbestimmter Prozess: gemeinsame kritische Beschäftigung mit eigenem Erleben, mit historisch erzeugten gesellschaftlichen Bedingungen, und mit theoretischem Verständnis. Damit ist Bildung gleichzeitig Forschung. Forschung ist hier Forschung an uns selber, konkret und greifbar. Damit ist Forschung gleichzeitig Bildung.
Die Lernebenen in Erinnerungsarbeit sind mehrdimensional. Sie beinhalten u. a. Sprachschulung, analytisches Denken und Argumentieren, politische Erkenntnisse, erweiterte Blickwinkel auf persönliche Geschichte.
Die Einsatzfelder von Erinnerungsarbeit sind weit gestreut. Sie umfassen im Prinzip alle Bereiche menschlichen Verhaltens.
Wichtig zu betonen: in Erinnerungsarbeit wird zwar mit eigenen Erinnerungsgeschichten gearbeitet. Aber Erinnerungsarbeit ist keine Therapie, oder ein Ersatz dafür. Vielmehr ist sie Ideologiekritik und Gesellschaftsanalyse, basierend auf einer gesunden Quellenskepsis und Respektlosigkeit.
Was euch in der Veranstaltung erwartet: Der Entstehungshintergrund der Methode wird kurz erklärt; Wichtige Elemente und methodische Schritte werden dargestellt. Wir führen gemeinsam eine exemplarische Textanalyse durch. Wir schauen uns Anwendungsgebiete von Erinnerungsarbeit an. Und wir versuchen, möglichst alle Fragen, die auftauchen, zu beantworten.
> Wenn Bücher Werkzeugkisten sind, aus denen sich die Leute “diese oder jene Idee oder Analyse als Schraubenzieher” herausholen, um “Machtsysteme kurzzuschließen, zu demontieren oder zu sprengen” (Michel Foucault), dann bietet Erinnerungsarbeit ein Skalpell zum Sezieren der Vergesellschaftungsmuster, die diese Machtsysteme überhaupt erst ermöglichen <
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.