Samstag, 26.02.2022 15.00 Uhr
Anatomiegarten
Seit einigen Wochen hat das Säbelrasseln zwischen der NATO und Russland eine neue Qualität erreicht. Immer offener wurde von einem drohenden Krieg „mitten in Europa“ gesprochen. Verhandlungen, über die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien blieben stecken. Angriffe ukrainischer Truppen auf den Donbass nahmen drastisch zu. Durch die Anerkennung der „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk hat Moskau die Situation seinerseits noch verschärft.
Einseitige Vorwürfe und Schuldzuweisungen an Russland, wie sie von westlichen Regierungen und Medien seit Wochen vorgenommen werden, und den Charakter von Kriegspropaganda annahmen, sind nach wie vor nicht gerechtfertigt.
Die Hauptursache der sich aktuell bedrohlich zugespitzten Krise liegt in der Expansion der NATO nach Osten. Sie ist ‒ unter Bruch der Anfang der Neunzigerjahre gegebenen Zusagen ‒ immer näher an Russland heranrückt und hat sich nach dem vom Westen geförderten Umsturz in Kiew faktisch auch auf die Ukraine ausgedehnt.
Sie hat große Truppenkontingente nach Osteuropa entsandt ‒ von den baltischen Staaten im Norden bis zu Bulgarien und Rumänien am Schwarzen Meer ‒ und führt regelmäßig gewaltige Manöver an den russischen Meeres- und Landesgrenzen durch. Die in Polen und Rumänien installierten Raketenabwehrsysteme der USA lassen sich jederzeit mit atomaren Mittelstreckenraketen bestücken.
Das ist völlig verantwortungslos gegenüber einem Land mit den schrecklichen Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg. Die Vision vom gemeinsamen Haus Europas wurde beiseitegeschoben, wie auch der Grundsatz Willy Brandts, dass die eigene Sicherheit untrennbar mit der Sicherheit des Gegners verbunden ist.
Trotz seiner Truppen und Militärmanöver in der Nähe zur Ukraine hat Russland kein Interesse an einem Krieg, bei dem es kaum etwas zu gewinnen, aber viel zu verlieren hätte. Es stehen zudem ähnlich viele Soldaten auf der ukrainischen Seite und NATO-Truppen in der Nähe. Auch militärische Experten, wie der ehem. Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, Harald Kujat, sehen keine russischen Kriegsabsichten und in den, im Westen Russlands stationierten Truppen, „militärisch noch keine Bedrohung“.
Die russische Führung rechtfertigt die Anerkennung der Unabhängigkeit der Gebiete (Oblaste) Donezk und Lugansk mit der Zunahme von Angriffen auf die russischsprachigen Regionen und dem Scheitern der Minsker Abkommen.
Diese sehen neben einem Waffenstillstand, den Dialog zwischen den Konfliktparteien und eine erweiterte Autonomie von Donezk und Lugansk innerhalb der Ukraine vor. Die Umsetzung wurde jedoch vor allem von Kiew blockiert ‒ mit politischer, finanzieller und militärischer Unterstützung des Westens, auch Berlins.
Auch eingedenk der Probleme, die die NATO-Politik Russland bereitet, ist die Entscheidung Moskaus der falsche Weg: Sie eskaliert den Konflikt weiter und erschwert, in der ohnehin angespannten Lage, die dringend notwendigen Schritte zur Deeskalation.
Nötiger denn je sind nun politische, mediale, öffentliche und praktische Deeskalation und eine Demilitarisierung auf beiden Seiten der Grenzen zwischen Russland, der Ukraine und der NATO, inklusive Abzug westlicher Truppen.
Nur mit einer Politik, die die Sicherheitsinteressen der anderen Seite genauso berücksichtigt, wie die eigenen, kann Frieden, Abrüstung und Entspannung erreicht werden..
Wir fordern:
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.