Donnerstag, 02.02.2006 16.00 Uhr
Ludwigshafen, Marienstraße 8, vor der Ausländerbehörde
Die VeranstalterInnen (Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim) schreiben:
Die in Ludwigshafen lebende kurdische Familie Yilidz kommt nicht zur Ruhe. Seit Ende letzten Jahres wird der Sohn der vierköpfigen Familie, Sedat Yildiz akut von Abschiebung bedroht
Im August vergangenen Jahres konnte die Gutachterin Frau Dr. Klee vom Zentrum für Folteropfer Karlsruhe in einer Verhandlung des Verwaltungsgerichts Neustadt Richter Kintz beweisen, dass Vater und Tochter durch die in der Türkei erlittene Folter schwer traumatisiert sind. Dies führte dazu, dass das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration in Trier den beiden aufgrund des Paragrafen 60, Abs. 7 des neuen Zuwanderungsgesetzes ein faktisches Bleiberecht aus gesundheitlichen Gründen gewährte. Daraufhin wurde die Klage gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags im Einvernehmen mit der Familie von ihrem Rechtsanwalt zurückgezogen.
Die Familie und ihr Anwalt sind ebenso wie ihre Unterstützer/innen mit Recht davon ausgegangen, dass die gesamte Familie aufgrund ihrer Verfolgungsgeschichte und der schweren Traumatisierung von Vater und Tochter Bleiberecht erhält. Dies wurde vor der Zurücknahme der Klage zwischen Richter Kintz und Herr Renner von der Ausländerbehörde Ludwigshafen auch so besprochen und dem Anwalt der Familie im August 2005 mitgeteilt.
Im Gegensatz hierzu hat Herr Renner dem Anwalt am 30.12.2005 - also vier (!) Monate später - geschrieben, die Ausländerbehörde Ludwigshafen sehe keine Möglichkeit, dass der Sohn, Sedat Yildiz hier bleiben könne.
Dies ist eine Kehrtwendung der Behörde um 180 Grad, vermutlich eine Reaktion auf den Erfolg der Bleiberechtskampagne im Sommer 2005.
Es ist völlig inakzeptabel, dass der Sohn wieder in die Türkei abgeschoben werden soll. Hierdurch würde auch die Familie auseinander gerissen und völlig unnötig belastet! In der Türkei werden immer noch die Menschenrechte insbesondere der kurdischen Minderheit in gravierendem Maße von staatlicher Seite verletzt. Der bekannte Menschenrechtsverein IHD und die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) haben für die beiden letzten Jahre übereinstimmend festgestellt, dass staatliche Folter in der Türkei immer noch weit verbreitet ist. Der IHD hat im letzten Jahr 959 Menschenrechtsverletzungen registriert (vgl. Kurdistan-Rundbrief vom 15.11.2005)959
Dem Sohn würde nach Rückkehr in die Türkei erneut Verfolgung, Folter und Gefängnis drohen. Auf jeden Fall müsste er Militärdienst bei der türkischen Armee leisten und daher notfalls auf seine kurdischen Landsleute schießen! Bisher gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei. Wenn der Sohn abgeschoben würde, drohen dem Vater und der Tochter wieder Retraumatisierung, also eine schwerwiegende bis lebensbedrohliche Gefährdung ihrer Gesundheit. Der Vater erklärte seiner Familie und uns, dass er eine Abschiebung seines Sohnes und eine Trennung von ihm nicht verkraften würde!
Wir nehmen diese Risiken im Unterschied zur Ausländerbehörde und auch des Bürgerbeauftragten des Landtags in Mainz, an den wir schon vor längerer Zeit zwei Petitionen für ein Bleiberecht der gesamten Familie gerichtet haben, absolut ernst.
Das Bleiberecht für den Sohn ist daher auch im Interesse der gesamten Familie zwingend geboten. Die Abschiebung hingegen wäre menschenverachtend und besonders rücksichtslos.
Die Zeit drängt: Der Petitionsausschuss hat der Familie nur noch eine 2-wöchige Frist bis zum 2. Februar eingeräumt und auf die Möglichkeit eines Härtefall-Antrags verwiesen.
Für einen entsprechenden Antrag ist der § 25, Absatz 4 des Zuwanderungsgesetzes wichtig. Dort heißt es ausdrücklich: (4) Einem Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.
In der Praxis unterlaufen viele Ausländerbehörden dieses Gesetz. Dies stellt auch PRO ASYL in seiner Einjahresbilanz nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes fest: "Die humanitären Anliegen des Zuwanderungsgesetzes werden in der Praxis fast vollständig verfehlt", sagt Marei Pelzer von PRO ASYL.
Ministerialdirigent Muth vom Innenministerium Rheinland-Pfalz, mit dem wir anlässlich einer Tagung des Asyl-Arbeitskreises Rheinland-Pfalz vergangene Woche in Mainz sprachen, wich einer klaren Stellungnahme gegen die geplante Abschiebung aus.
Angesichts dieser harten Haltung der beteiligten Institutionen braucht Sedat Yildiz die breite, starke und kämpferische Solidarität aller Menschen in der Region, die sich gegen Abschiebungen, Folter und Krieg engagieren.
Fest steht jetzt schon eine Demo für das Bleiberecht von Sedat Yildiz und gegen das geplante Auseinanderreißen der Familie Am Donnerstag, den 2. Februar, 16 Uhr, vor der Ausländerbehörde Ludwigshafen, Marienstr. 8.
Die Demo soll stark und kämpferisch werden, auch wenn die Zeit für die Mobilisierung ziemlich knapp bemessen ist.
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.