Mittwoch, 16.07.2003 20.00 Uhr
gumbelraum
Am 21. Mai wurden von Militärminister Peter Struck die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) erlassen. In den alten, 1992 von Volker Rühe (CDU) erlassenen, Richtlinien war bereits von der "Verteidigung deutscher Interessen" auch außerhalb des Bündnisgebietes der NATO die Rede. Die neuen legen nun fest, dass künftig die Einsätze der Bundeswehr sich "weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen lassen." Bestimmend für die Zukunft soll der weltweite offensive Einsatz der Bundeswehr sein -- "Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt" so Minister Struck.
Die klassische Landesverteidigung wird in den neuen Richtlinien für obsolet erklärt und damit auch die bzgl. deutscher Streitkräfte maßgeblichen Artikel des Grundgesetzes, die deren Einsatz ausdrücklich auf die Landesverteidigung beschränken (Art. 87a) und die Vorbereitung von Angriffskriegen unter Strafe stellen (Art. 26)
Im Gegensatz zu den Vorentwürfen enthält die endgültige Fassung der VPR kein Bekenntnis mehr zu möglichen Präventivkriegen, wie Kritiker aus dem rechten Lager auch lautstark kritisieren. Doch ohnehin bleiben die Formulierungen des Papiers weit hinter der realen Praxis des deutschen Militärs zurück. So führte Deutschland in Verfolgung seiner Interessen zusammen mit den Verbündeten Krieg gegen Jugoslawien und steht mittlerwei-le mit eigenen Truppen u.a. im Kosovo, Bosnien, Mazedonien und Afghanistan.
Bereits in der NATO-Strategie von 1999 -- verabschiedet während des Krieges gegen Jugoslawien -- reklamieren die Mitgliedsstaaten des Kriegsbündnisses kaum verhüllt ihren Anspruch Kriege ohne UN-Mandat und präventiv führen zu können. Um erfolgreich global militärisch mitmischen zu kön-nen, wird die Bundeswehr schon seit Jahren in eine Interventionsarmee umgebaut. Die Kosten werden sich in den kommenden 20 Jahren allein für neue Waffen und Ausrüstungen auf schätzungsweise auf 140 bis 150 Mrd. Euro belaufen.
Militärmacht EU -- eine Antwort auf die US-Kriegspolitik?
Dem militärischen Bündnis mit den USA kommt zwar -- wie auch die deutsche Unterstützung im Irakkrieg zeigte -- weiterhin größte Bedeutung zu, doch ist die deutsche Regierung parallel dazu auch eine der treibenden Kräfte beim Aufbau einer europäischen Militärmacht.
Diesem Ziel dient offensichtlich auch der nun begonnene Einsatz der EU im Kongo, der unter Führung und Beteiligung der ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Belgien die Friedensbemühungen der UNO zu untergraben und die Auseinandersetzung sogar noch anzuheizen droht.
Eine europäische Militärmacht wird keinen Gegenpol zur aggressiven und unilateralen Großmachtspolitik der USA bilden, wie von vielen erhofft. Der kurze Dissens über das beste Vorgehen gegen den Irak war schnell überwunden. In bezug auf Nordkorea und den Iran haben die EU-Staaten den Schulterschluss mit den USA nun schon vollzogen, indem sie auf aggressive Weise die Forderungen der Führungsmacht gegenüber den beiden Staaten übernahmen, statt auf deren berechtigten Sorgen, angesichts der offenen militärischen Bedrohung durch die USA einzugehen.
Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.