Donnerstag, 17.12.2009 18.15 Uhr
Neue Uni, ehemaliger Senatssaal
Der Vortrag zeichnet die Transformationen von "Bildung" vom 18. Jhd. ins 21. Jahrhundert nach und untersucht hierbei insbesondere, wie Selbstbestimmung und Autonomie des Individuums zugunsten seiner Verwertbarkeit und Marktfähigkeit auf der Strecke bleiben.
Das Bildungsbürgertum des 18. und 19. Jhd. hat ein klares Bildungsideal: seine kulturelle Identität entsteht über die Auseinandersetzung mit dem Fremden, mit der Antike. Insbesondere im Erlernen der alten Sprachen "fängt der Verstand selbst an, gelernt zu werden", so Hegel. Der Ort, wo dies geschehen soll: die Schule. Doch genau dies - also Bildung - verhindert die Schule erfolgreich - von der Zerschlagung der Humboldtschen Schulreform bis heute. Sich hineindenken ins Fremde wird verdrängt durch die Reproduktion kodifizierten Wissens.
Heute tritt "Kompetenz" an die Stelle von "Bildung". "Kompetenz" beschreibt gesellschaftlich relevante Fähigkeiten, verortet sie aber auf der Ebene persönlich relevanter Motivationen und Dispositionen. Der moderne Wissensarbeiter - der moderne Nachfahre des durch die Schule verhinderten Bildungsbürgers - bringt sein Wissen in Form von Kompetenz zur Verarbeitung von Wissensmengen auf dem Arbeitsmarkt ein. Seine "Problemlösekompetenz", die Fähigkeit, sich auf wechselnde Aufgabenstellungen einstellen zu können, ist sein Wettbewerbsvorteil und bestimmt seine Ausbildung.
Zu klären bleibt, wie dieser Prozess genau vonstatten geht und was "Bildung" in den heutigen Zeiten noch sein könnte - und ob Annette Schavans Bildungsbürger wirklich ein wünschenswertes Gegenkonzept ist.
Die Referentin, Rose Boenicke, ist Professorin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Heidelberg
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