Dienstag, 17.11.2009 19.30 Uhr
Neue Uni
Die kritische Theorie der Gesellschaft muß entwickeln, so Adorno, wie "verselbständigte Verhältnisse aus den Verhältnissen von Menschen abzuleiten sind", mit anderen Worten: wie sich reale Verselbständigung konstituiert. Ohne Subjektivität keine Objektivität, was aber nicht bedeutet, daß diese von den handelnden Menschen hervorgebrachten Strukturen auch verstehbar sein müßten. Das Gegenteil ist der Fall, das Unverstehbare ist geradezu ein konstitutives Moment dieser Totalität. Der Kern einer dialektischen Gesellschaftsauffassung nach Marx ist in diesem Moment verselbständigter Objektivität zu sehen, ein Konstitutionsprozeß, zu dem es wesentlich gehört, daß die Genese im Resultat verschwindet. Gesellschaft wird geradezu bestimmt als das, was dem Verstehen sich entzieht, denn, so Adorno, "die Reflexion auf Gesellschaft hebt dort an, wo Verstehbarkeit endet", es geht darum, "die Nichtverstehbarkeit zu verstehen." Es wird zu zeigen sein, daß erst in dieser Perspektive die grundlegenden Begriffe der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie ihren wesentlich subversiven Gehalt gewinnen, weiter, daß die klassischen Marx-Lektüren so in Rationalisierungen gründen wie immer schon die Volkswirtschaftlehre und ihr Doppelgänger, die Soziologie, schließlich, daß ein angemessenes Verständnis gesellschaftlich in den ökonomischen Formen von Wert, Ware, Geld und Kapital als gültig gesetzter Irrationalität nicht mehr in der Form von Theorie zu haben ist.
Es spricht Helmut Reichelt (Bremen), em. Professor für Soziologische Theorie. Er hat unter anderem im ça ira-Verlag das Buch "Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx" (Freiburg 2001) veröffentlicht; im letzten Jahr erschien sein Buch "Neue Marx-Lektüre. Zur Kritik sozialwissenschaftlicher Logik" (VSA-Verlag, Hamburg).
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