Veranstaltung: "Schafft Rote Hilfe" -- Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene in Deutschland (1919-1938) mit Nick Brauns

unimut 

Mittwoch, 21.04.2004 19.30 Uhr

Neue Uni

Über Nick Brauns gleichnamiges Buch:

Diese Arbeit schließt eine wichtige Lücke in der Geschichtsschreibung über die Weimarer Republik, denn weder in der west- noch der ostdeutschen Historiographie gab es bisher eine Gesamtdarstellung der Roten Hilfe Deutschlands.

Das verwundert umso mehr, als diese Organisation mit mehreren hunderttausend Mitgliedern nicht nur die größte der mit der KPD verbundenen Organisationen war, sondern zu ihren prominenten Mitgliedern und Unterstützern so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Wilhelm Pieck, Herbert Wehner und Erich Mühsam, Kurt Tucholsky und Albert Einstein, Heinrich und Thomas Mann oder Heinrich Vogeler gehörten. Rote Hilfe Deutschlands ? bei der Nennung dieses Namens reagieren selbst Historiker, deren Fachgebiet die Weimarer Republik oder das Dritte Reich ist, mit fragenden Blicken. Heute ist diese Organisation, deren proletarische Mitgliederzahl Anfang der 30er Jahre derjenigen der SPD ebenbürtig war, in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht! Denn viele der von der Roten Hilfe angesprochenen Themen finden sich noch heute im Mittelpunkt der politischen Debatte. Wenn der Bundestag über eine Änderung des Asylrechts diskutiert und das Bundesverfassungsgericht über die rechtliche Stellung homosexueller Lebensgemeinschaften oder die Abschaffung des § 218 zu entscheiden hat, wenn bei milden Urteilen gegenüber rechtsextremen Gewalttätern der Vorwurf einer politischen Justiz laut wird oder wenn sich eine breite Öffentlichkeit für die Abschaffung der Todesstrafe weltweit ausspricht, so handelt es sich um Themen, zu denen die Rote Hilfe schon vor über 70 Jahren Positionen entwickelte und Kampagnen führte. Viele der Kampagnemuster (Patenschaften für politische Gefangene, Delegationen zu Prozessen etc.) sind heute für Menschenrechtsorganisationen alltägliche Aktionsmuster.

Der blinde Fleck der Geschichtsschreibung

Auch in den einschlägigen Darstellungen zur Geschichte der sozialen Bewegungen in Deutschland findet die Rote Hilfe kaum Erwähnung. So handelt Heinrich August Winklers dreibändiges Standardwerk zur Arbeiterbewegung der Weimarer Republik die Rote Hilfe in wenigen Zeilen ab. In neuere Untersuchungen zum deutschen Kommunismus, wie sie in der zweiten Hälfte der 90er Jahre unter anderem von Eric Weitz, Klaus-Michael Mallmann und Klaus Kinner vorgelegt wurden, bleibt die Rote Hilfe ein marginaler Faktor.

Alle Arbeitsfelder werden beschrieben

Die vorliegende Arbeit beschreibt die verschiedenen Aufgabengebiete der Roten Hilfe von der Sozialfürsorge für die Familien politischer Gefangener über die juristische und rechtswissenschaftliche Tätigkeit bis hin zu illegalen Fluchthilfeaktivitäten und dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Arbeitsweise der Roten Hilfe wird an den großen nationalen und internationalen Kampagnen deutlich, die sich um für die damalige Zeit so legendäre Namen wie Max Hoelz, Sacco und Vanzetti oder Richard Scheringer rankten. Aber auch die alltägliche Kleinarbeit eines Roten Helfers, das Sammeln von Spenden für die Familienhilfe oder Unterschriften für die Vollamnestie, der Kontakt zu politischen Gefangenen durch Besuche und Briefe, Demonstrationen, Filmabende und Gedenkveranstaltungen für gefallene Revolutionäre werden beleuchtet.

Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.