Info-Veranstaltung: "Zur so genannten Asylpolitik und zur Kriminalisierung der Solidarität mit Flüchtlingen am Beispiel der Ausländerbehörde in Ludwigshafen"

unimut 

Donnerstag, 04.03.2004 20.00 Uhr

JUZ, Käthe-Kollwitz-Straße 2-4, Mannheim am Neuen Meßplatz

Das Aufruffluggi -- die Red. hat damit natürlich nichts zu tun...

Zum unmittelbaren Anlass

Vor fast einem Jahr, am 27. März 2003, begleiteten ein Dolmetscher und ein Mitglied des Bündnis gegen Abschiebungen als Unterstützer einen kurdischen Flüchtling wegen der Verlängerung seiner Duldung zur Ludwigshafener Ausländerbehörde. Nach Ansicht eines Zentrums für Folteropfer ist der Mann mit ziemlicher Sicherheit in der Türkei schwer gefoltert worden. Er ist in hohem Grade traumatisiert und seit Monaten in stationärer Behandlung.

Doch unbeeindruckt hiervon wollte die für ihre harte Haltung bekannte Ausländerbehörde ihn, seine Ehefrau, seine suizidgefährdete Tochter und seinen Sohn, dem in der Türkei ein Verfahren wegen Desertion droht, unbedingt abschieben. Um die Festnahme reibungslos vornehmen zu können, war in der Behörde vorher vereinbart worden, den Unterstützer des Flüchtlings auf jeden Fall aus dem Raum zu entfernen. Für den 27. März war in der Ausländerbehörde die Festnahme vorgesehen, obwohl kein Haftbefehl vorlag!

Wir wissen, dass regelmäßig Flüchtlinge in den Büros der Ausländerbehörde festgenommen, dann in Abschiebehaft gesteckt und abgeschoben werden. Nicht selten werden sie auch sofort nach der Festnahme abgeschoben, ohne vorher in Abschiebehaft kommen. Um Flüchtlinge möglichst widerstandslos festnehmen zu können, werden allerhand Täuschungen und Tricks angewendet. Wenn aber ein Flüchtling von einem "Beistand" begleitet wird, wird er (noch) nicht festgenommen, weil die auf Täuschung basierende Festnahme offensichtlich sogar gegen das herrschende Recht verstößt.

Als der Flüchtling zusammen mit dem Dolmetscher und dem Unterstützer das Büro der Ausländerbehörde betrat, wurden die beiden anderen nacheinander von Sachbearbeiter T. ultimativ aufgefordert, sofort den Raum zu verlassen. Als der Unterstützer sich weigerte dies zu tun und sich auf sein Beistandsrecht berief, eskalierte die Situation, weil der Sachbearbeiter ihn mit Gewalt hinauszuwerfen versuchte. Dabei griff er auch den Flüchtling an. Die beabsichtigte Festnahme war nun nicht mehr möglich, da der Flüchtling völlig geschockt aus dem Raum lief.

Mit Rückendeckung der Behörden-Chefin und der Oberbürgermeisterin wird jetzt versucht, den Unterstützer und unsere Solidarität mit den Flüchtlingen zu kriminalisieren. Entsprechend werden die Tatsachen völlig auf den Kopf gestellt und der Vorfall so dargestellt, als wenn der Sachbearbeiter angegriffen worden wäre. Mittlerweile sind zwei Strafbefehle in Höhe von zusammen 2100 Euro wegen angeblicher Körperverletzung und Verleumdung des Sachbearbeiters gegen den Unterstützer ergangen. Gegen ihn wurde außerdem - neun Monate nach diesem Vorfall - ein auf 1 Jahr befristetes Hausverbot mit sofortiger Wirksamkeit erlassen. Gegen die vom Amtsgericht Ludwigshafen verhängten Strafbefehle und gegen das Hausverbot wurde vom Anwalt Widerspruch eingelegt. Es wird höchstwahrscheinlich in diesem Jahr zum Prozess gegen unser Gruppenmitglied kommen.

Das Kalkül von Oberbürgermeisterin und Stadtverwaltung ist, uns durch Kriminalisierung davon abzuhalten, weiterhin mit den Flüchtlingen solidarisch zu sein. Dies darf nicht gelingen! Daher brauchen wir jetzt auch die Solidarität von möglichst vielen, die die herrschende "Asyl"politik ablehnen und es richtig finden, wenn Flüchtlinge hier bleiben können und ein Bleiberecht erhalten!

Bundesdeutsche Asylpolitik - die zweite Verfolgung der Flüchtlinge.

Seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts im Jahre 1993 wurde die bundesdeutsche "Asyl"politik gegen Flüchtlinge zunehmend ausgrenzend, repressiv und inhuman. Heiko Kauffmann von Pro Asyl bezeichnet diese Politik treffend als "organisierte Unmenschlichkeit".

Die Flüchtlinge sind zu Objekten eines institutionellen Rassismus geworden. Stichwortartig seien in diesem Zusammenhang genannt: Häufig Unterbringung in menschenunwürdigen Unterkünften, teilweise sogar in Container-Lagern, eingeschränkte Sozialhilfe, meist Sach- statt Geldleistungen, oft Zwangseinkauf in speziellen überteuerten Läden (teilweise nur Einkauf mit Gutscheinen), permanente Razzien, Residenzpflicht (gibt es nur in Deutschland), eingeschränkte medizinische Versorgung, Arbeitsverbot oder Zwangsarbeit zu Hungerlöhnen, Abschiebehaft und gewaltsame Abschiebungen, wobei es schon zu Todesfällen kam. Gerade hat der Prozess gegen drei BGS-Beamte in Frankfurt begonnen. Diese hatten vor fünf(!) Jahren Aamir Ageeb, der in Mannheim im Abschiebknast gefangen gehalten wurde, bei einer gewaltsamen Abschiebung auf dem Frankfurter Flughafen zu Tode gebracht.

Die Quote der Asyl-Anerkennung sank in den letzten Jahren kontinuierlich auf unter 2 Prozent. Die Quote der Abschiebungen wurde enorm gesteigert, was der Innenminister Schily zynisch als Erfolg feiert. Die bundesdeutsche Asylpolitik ist seit Jahren in ihrer Rigidität in Europa unübertroffen. Nach deutschem Muster wurde Europa zu einer Festung ausgebaut - zu einem System von Überwachung, Ausgrenzung, Stigmatisierung und gewaltsamer Abschottung. Statt die Flüchtlinge zu schützen, werden sie wie Feinde bekämpft.

Der institutionelle und auch verrechtlichte Rassismus macht die betroffenen Menschen tendenziell vogelfrei. Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo in Deutschland Flüchtlinge zur Zielscheibe eines tätlichen oder beleidigenden Angriffs werden. Erinnert sei an die Pogrome in Hoyerswerda, Rostock und Mannheim-Schönau, an die zahlreichen Brandanschläge, auch mit tödlichem Ausgang, an die brutalen Angriffe auf Flüchtlinge in ihren Unterkünften, in Kneipen, Bahnhöfen und auf offener Straße. Dies ist der Hintergrund, der sich jedem darbietet, der mit den Flüchtlingen für ihr Recht auf Asyl, für ein menschenwürdiges Leben in Deutschland kämpft.

Zu unserem Widerstand

Das Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim leistet seit Jahren hier in der Region Widerstand gegen diese zweite Verfolgung der Flüchtlinge und solidarisiert sich mit ihnen im Kampf gegen Diskriminierung, gegen Abschiebungen und für ein Bleiberecht. Wir gehen auch als sog. Beistand mit Flüchtlingen zu Behörden, vor allem zur Ausländerbehörde. Dabei können wir uns immer wieder selbst ein Bild vom rüden und menschenverachtenden Umgang der Sachbearbeiter/Innen mit Flüchtlingen machen.

Kontakt: Bündnis gegen Abschiebungen c/o JuZ Mannheim Postfach 12 19 65, 68070 Ma

dieser Vortrag soll eine Auftaktveranstaltung für ein lokale Kampagne in Ludwigshafen gegen diese Zustände sein.

Langtexte kommen meist von den VeranstalterInnen. Das Sozialforum ist hier nur Bote.